Pyrola umbellata L.
Die im Nadelwaldgürtel der nördlichen gemäßigten Breiten weit verbreitete Chimaphila umbellata hat ihr Areal durch den Nadelholzanbau bis nach Hessen
erweitern können. Soweit bekannt entstanden alle hessischen Vorkommen im Gefolge des Anbaus von Pinus sylvestris.
Die Pflanze ist in Hessen daher als Neophyt einzustufen. Die erste
Erwähnung des Dolden-Winterliebs für Hessen findet sich
bei Johann Jacob Dillenius. Im Appendix zum „Catalogus
plantarum sponte circa Gissam nascentium“ (1719) nennt er
unter den Pflanzen, die er außerhalb Giessens fand, mit dem
von Caspar Bauhin (1623) geprägten Namen Pyrola frutescens
arbuti folio
ein Vorkommen „in pinetis viae montanae inter Darmstadtium &
Bentzheimium“ [in Kiefernwäldern an der Bergstraße
zwischen Darmstadt und Bensheim]. Diese Vorkommen werden von
Johann Adam Pollich (1776) und Moritz Borckhausen (1793, 1795)
bestätigt; von Borckhausen stammt auch einer der ältesten
hessischen Herbarbelege aus dem Jahr 1796 in GOET. Johann Christian
Senckenberg (1707‒1772) kennt die Art nicht aus der Umgebung
Frankfurts (Spilger 1941). Erst Johann Jacob Reichard ergänzt im
Appendix seiner „Flora Moeno-Francofurtana“
(1778) eine in Wäldern häufige Art unter dem
Linnéschen Namen Pyrola umbellata,
die er „bey dem Lerchenberg im Wald“ gefunden hat.
Vorkommen außerhalb der Sandgebiete der Rhein- und Mainaue waren
nur unbeständig. In Kiefern-Forsten der Rhein- und Mainaue war das
Dolden-Winterlieb bis Mitte des 20. Jahrhunderts so häufig, dass
es kommerziell gesammelt wurde. So gab es in als Pyrolo-Pinetum
eingestuften Kiefern-Forsten auf oberflächlich entkalkten
Pararendzinen am Fuß der nördlichen Bergstraße
ausgedehnte Vorkommen westlich von Eberstadt und zwischen Eberbach und
Bickenbach (Spilger 1928, Ackermann 1954, Anonymus 1962), die aber bis
1990 in Folge von Laubholzunterbau der Kiefern-Forste, Aufgabe der
Streunutzung und wahrscheinlich auch durch Nährstoffeintrag, vor
allem Stickstoff, verschwanden (Große-Brauckmann & Streitz
1990, Hillesheim-Kimmel 2001). In der Untermainebene wurde die Ch. umbellata
auf kalkarmen Sanden in den Kiefern-Forsten um Babenhausen
(Wittenberger & al. 1968) sowie nördlich des Mains in dem
Waldgebiet zwischen Niederrodenbach, Somborn und dem bayerischen
Alzenau (Gärtner & al. 1799‒1802, Hoffmann 1884, Malende 1961)
nachgewiesen, wobei in dem erstgenannten Gebiet in den 1980er Jahren
noch einige Vorkommen bestanden (Disser-Huke 1990,
Große-Brauckmann & Streitz 1990). Von Hodvina & al.
(2009), die die Verbreitung in Hessen ausführlich darstellten,
konnten wenige, sehr individuenarme Vorkommen in der östlichen
Untermainebene bei Babenhausen, Dudenhofen, Niederroden und Zellhausen
bestätigt werden. Auch im Frankfurter Oberwald war die Art im 19.
Jahrhundert an etlichen Stellen vorhanden (Becker 1827, Wigand &
Meigen 1891).